Ministerium konkretisiert Reform des Rettungsdienstes, Landkreistag mit heftiger Kritik

Ministerium konkretisiert Reform des Rettungsdienstes, Landkreistag mit heftiger KritikBerlin – Der Deutsche Landkreistag zeigt sich besorgt über die aktuellen Überlegungen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zur Reform des Rettungsdienstes. Die neuen Regelungen sollen im Zuge des Notfallgesetzes im parlamentarischen Verfahren eingebunden werden, heißt es dazu seit Wochen aus den Regierungsfraktionen.Der Deutsche Landkreistag sieht in dem Ansinnen „fehlende Gesetzgebungskompetenz“, da „organisatorische und inhaltliche Vorgaben für den Rettungsdienst“ laut Grundgesetz bei den Ländern liege.In einem Schreiben an die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Juliane Seifert, bemängelt der Landkreistag auch die Idee, den Rettungsdienst in das „Sozialversicherungsrecht und damit auch für die Qualität der Leistungen“ zu übernehmen. Das Schreiben liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.Anlass der Kritik vom Landkreistag ist ein Überblickspapier zum Stand der geplanten Regelungen für den Rettungsdienst, das nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes aus dem Bundesgesundheitsministerium stammen soll. Inhaltlich deckt es sich mit den Überlegungen zum Rettungsdienst, die seit Monaten auch aus den Kreisen der drei Ampelfraktionen berichtet werden.In dem Papier zur „Grobstruktur“ des Rettungsdienstes wird darauf hingewiesen, dass die rettungsdienstliche Versorgung als Leistungssegment in das Sozialgesetzbuch V (SGB V) aufgenommen werden soll.Dies sei eine „wesentliche Grundvoraussetzung“, um dem Ziel einer „sektorübergreifend organisierten, gut (auch digital) vernetzten und funktionierenden präklinischen Versorgung von Hilfesuchenden zu erreichen“, heißt es in dem Papier. Künftig soll der Bereich als „medizinische Notfallrettung“ bezeichnet werden und damit entsprechende einheitliche Kriterien für die Qualität der Notfallversorgung geben.Das Papier erläutert geplante Änderungen. So soll es einen neuen Paragrafen 30 SGB V geben, in dem der Leistungsumfang der „Medizinische Notfallrettung“ definiert wird. Darin sollen auch das Notfallmanagement, die Notfallmedizinische Versorgung sowie der Notfalltransport näher beschrieben werden.Zum Management im Notfall soll auch die Vernetzung mit anderen Angeboten der Versorgung wie beispielsweise der Pflege gewährleistet werden. Beim Notfalltransport ist ausdrücklich erwähnt, neben dem Krankenhaus auch in andere medizinische Einrichtungen – wie ein Pflegeheim – verlegen zu können.Mit den neuen Paragrafen 133 soll die Versorgung mit Leistungen der medizinischen Notfallrettung, Krankentransporten sowie Krankenfahrten geregelt werden. In weiteren Änderungen soll ein „Qualitätsausschuss Notfallrettung“ beim Bundesgesundheitsministerium angesiedelt werden. Mitglied in diesem neuen Ausschuss sollen der GKV-Spitzenverband sowie vier Bundesländer werden.„Fachgesellschaften und maßgebliche Spitzenorganisationen sind anzuhören“, heißt es in dem Papier weiter. Der Ausschuss erarbeitet einen Katalog zu Empfehlungen von Struktur- und Prozessqualitätsparametern zum Notfallmanagement, zur Notfallbehandlung und Notfalltransport. Hier soll auch die künftige digitale Notfalldokumentation „unter Einbeziehung der KBV und der DKG“ stattfinden.Diese Pläne aus der „Grobstruktur“ müssen formal in Änderungsanträge umformuliert werden, um bei der Anhörung zur Notfallversorgung am 6. November im Gesundheitsausschuss des Bundestages diskutiert werden zu können.„Das Papier nimmt eine viel zu einseitige medizinbezogene Betrachtung vor“, heißt es vom Landkreistag zu den Vorhaben. „Ein ,Hochzonen‘ auf Bundesebene im SGB V ist deshalb nicht nur überflüssig, sie bedeutet einen Eingriff in Landeskompetenzen und birgt zudem die Gefahr, dass künftig gegebenenfalls bei einzelnen Änderungen auf Bun-des- und Landesebene Inkonsistenzen erstehen.“Der Deutsche Landkreistag sieht die derzeitigen Träger des Rettungsdienstes, die Kreise und kreisfreien Städte, nicht als „Leistungserbringer in der einseitig auf medizin-bezogene Diktion des SGB V“, heißt es weiter. Vielmehr fordern die Städte, dass der Rettungsdienst weiter verlässlich finanziert werden. „Nur so kann das bewährte System fortbestehen und weiterentwickelt werden“, heißt es in dem Schreiben.• Rettungsdienst: Bündnis fordert baldige Reform
• Notfallreform: Bundesregierung lehnt viele Forderungen der Länder ab
• Notfallreform: Bundesrat pocht auf kompetenzrechtliche Zuständigkeit
• Rettungsdienst steckt in einer „Systemkrise“, Reform angemahntAuch ein gemeinsames Gremium im BMG zur Notfallrettung wird von den Kommunen abgelehnt. „Hier wird ein nicht legitimiertes Gremium auf Bundesebene vorgesehen, das maßgebliche organisatorische, planerische und qualitative Vorgaben beschließen soll, deren Dimension und Umsetzung nicht abschätzbar sind.“Die vier Ländervertreter im Gremium seien nicht legitimiert, für alle anderen zu entscheiden. Allerdings ist es bereits in anderen Gremien in der Gesundheitspolitik üblich, dass zwei oder vier Vertreter aus den Bundesländern geschickt werden, die – meist gemeinsame – Position der Länder vorzutragen.Diese Argumentation, dass den Ländern gemeinsame Qualitätsvorgaben auch im Rettungsdienst vom Bund vorgegeben werden kann, nimmt beispielsweise ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Udo Di Fabio aus dem Sommer dieses Jahres ein.Di Fabio hatte im Auftrag der Björn Steiger Stiftung dem Rettungsdienst eine „Systemkrise“ attestiert, da besonders beim Qualitätsstandard und eine funktionierende digitale Rettungskette deutschlandweit keine einheitlichen Regelungen vorhanden seien.Nach seiner Einschätzung kann man sehr wohl argumentieren, dass die Qualitätsunterschiede in der Notfallversorgung das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, einer Schutzpflicht des Staates, nicht erfüllt. Das Gutachten von Di Fabio soll den „Bund ermuntern, hier eine stärkere Steuerungsverantwortung zu übernehmen.“