EU-Behörde: Polioviren in fünf europäischen Ländern entdeckt
EU-Behörde: Polioviren in fünf europäischen Ländern entdeckt 24. Januar 2025 Die nachgewiesenen Polioviren stammen sehr wahrscheinlich von Personen, die eine orale Immunsisierung erhalten haben. (Foto: © mrkarlph – stock.adobe.com) Kinderlähmung klingt wie eine Gefahr vergangener Zeiten. Doch neben Deutschland wurden Polioviren jüngst in vier weiteren europäischen Ländern nachgewiesen. Und auch hierzulande steigt die Zahl der Nachweise in Abwasserproben. Nach dem Fund von Polioviren in München, Bonn, Köln, Hamburg Dresden, Düsseldorf und Mainz zwischen September und Dezember 2024 sind die Erreger in Proben aus weiteren deutschen Städten nachgewiesen worden. Positive Tests gab es nun auch aus Klärwerken in Stuttgart und Berlin, wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilte. Die beiden Städte seien zusammen mit Frankfurt am Main neu in die Testungen aufgenommen worden. Die Nachweise stammen aus dem Zeitraum zwischen Anfang November (Berlin) und Anfang Dezember 2024 (Stuttgart). In Frankfurt wurden demnach keine Erreger festgestellt. Auch in vier weiteren europäischen Ländern wurden Polioviren nachgewiesen. Sie wurden zwischen September und Dezember 2024 auch in Abwasserproben in Spanien, Polen, Großbritannien und Finnland entdeckt, wie Forscher in einem Artikel in der Fachzeitschrift „Eurosurveillance“ der EU-Gesundheitsbehörde ECDC schreiben. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) bereits im vergangenen Jahr mitgeteilt hatte, traten die ersten Funde in Deutschland an allen sieben regelmäßig untersuchten Städten auf. In Finnland und Spanien war dagegen nur jeweils eine von fünf beziehungsweise zwei Probeentnahmestellen betroffen. In Polen waren es zwei von acht, in Großbritannien vier von zwölf. Mancherorts kam es bei verschiedenen Messungen zu wiederholten Funden. „Ein Weckruf“ Alle Stämme der Erreger seien genetisch miteinander verbunden gewesen, schrieben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Instituten und Behörden der besagten Länder sowie dem Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation WHO. Man müsse anhand der gesammelten Erkenntnisse eine breitere geografische Ausbreitung über die betroffenen Messstellen hinaus in Betracht ziehen, schrieben die Forscher, die von „einem Weckruf“ sprachen. Bei den gefundenen Erregern handelt es sich nicht um den Wildtyp des Poliovirus, sondern um Viren, die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern zurückgehen. Diese Schluckimpfung wird in Deutschland und den anderen betroffenen Ländern nicht mehr genutzt. Die Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss, dass die Viren höchstwahrscheinlich aus anderen Ländern eingeschleppt wurden, in denen diese Impfungen eingesetzt werden. Das ist vor allem in Afrika und Asien der Fall. Besorgniserregende Zahlen beim Impfschutz Die Ständige Impfkommission (Stiko) und das RKI machten angesichts der gefundenen Polioviren jüngst aber darauf aufmerksam, dass nur 21 Prozent der Einjährigen in Deutschland vollständig gegen Polio geimpft seien – und das, obwohl die Grundimmunisierung bis zum Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte. Versäumte Impfungen werden zwar oft nachgeholt, trotzdem haben den Fachleuten zufolge nur 77 Prozent der Kinder in einem Alter von zwei Jahren einen vollständigen Impfschutz. Nicht oder nicht vollständig geimpfte Menschen können sich nach RKI-Angaben mit vom Schluckimpfstoff abgeleiteten Polioviren infizieren und in seltenen Fällen an Kinderlähmung erkranken. Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Teilen: e-Mail Drucken Facebook Twitter LinkedIn Quellen dpaBöttcher S et al. Detection of circulating vaccine-derived poliovirus type 2 (cVDPV2) in wastewater samples: a wake-up call, Finland, Germany, Poland, Spain, the United Kingdom, 2024. Eurosurveillance 2025;30(3).